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Wälder

Wiederherstellung von naturnahen Wäldern im Nationalpark Berchtesgaden durch natürliche Störungsdynamik

Bayern

Der Nationalpark Berchtesgaden wurde 1978 gegründet und ist Deutschlands einziger Nationalpark in den Alpen. Aufgrund des ausgeprägten Höhengradienten von über 2.000 m finden sich hier eine Vielzahl verschiedene Lebensräume auf engsten Raum. Von den Bergmischwäldern mit Buche und Tanne, die ursprünglich ausgedehnte Teile der Landschaft bedeckten, sind allerdings durch die jahrhundertelange Bewirtschaftung nur mehr Reste erhalten. Stattdessen dominieren heute auf großer Fläche strukturarme Fichtenbestände. Während die Waldentwicklung in der Kernzone (75% der Fläche) vollständig der Natur überlassen ist, implementiert der Nationalpark in der Pflegezone (25% der Fläche) innovative Waldumbaumaßnahmen zur Wiederherstellung von naturnahen Bergmischwäldern.

Die Wiederherstellung läuft seit 35 Jahren und wurde in diesem Zeitraum nach den Prinzipien des adaptiven Managements mehrmals an gewonnene Erkenntnisse und geänderte Rahmenbedingungen angepasst. Seit Beginn der Wiederherstellungsmaßnahmen wurden 1,3 Millionen Bäume gepflanzt und durch eine konsequente Wildbestandsregulierung begleitet. Heute folgen die Wiederherstellungsmaßnahmen der natürlichen Walddynamik, indem natürlich entstehende Störungen im Kronendach (z.B. durch Wind und Borkenkäfer) als Ansatzpunkte für den Waldumbau verwendet werden. Durch ein Orientieren an Störungen nutzt die Wiederherstellung natürliche Ökosystemprozesse und erfolgt im Einklang mit dem Nationalpark-Motto „Natur Natur sein lassen“.

Die Bergwälder des Nationalparks BerchtesgadenFoto: Rupert Seidl/Nationalpark Berchtesgaden

Details

Projektträger:
Nationalpark Berchtesgaden
Adresse:
Doktorberg 6
83471 Berchtesgaden
Förderprogramme:

Bayerisches Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz

Kooperationspartner:
Technische Universität München, Lehrstuhl für Ökosystemdynamik und Waldmanagement in Gebirgslandschaften
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Projektbeschreibung

Ausgangslage und Ziele:

Mit der Gründung des Nationalparks Berchtesgaden 1978 erhielt die Nationalparkverwaltung den Auftrag, naturferne, stark fichtendominierte Wälder in der Pflegezone (5.202 ha) wieder zu natürlichen Waldgesellschaften zu entwickeln. Laut standortsbasierter Vegetationskartierung stellt der Bergmischwald bestehend aus Buche, Tanne und Fichte die natürliche Waldzusammensetzung auf 75 % der Pflegezone dar. Durch eine historisch bedingte Übernutzung der Wälder in Kombination mit überhöhten Schalenwildbeständen kam es gebietsweise zu einer fast vollständigen Entmischung der ehemals laubbaum- und tannenreichen Wälder. So beträgt der Fichtenanteil in der Pflegezone heute rund 65 % und in manchen Gebieten bis 95 %. Ziel der seit 1987 durchgeführten Maßnahmen ist es, naturnahe, standortgerechte Bergmischwälder durch waldbauliche Maßnahmen und Wildbestandsregulierung wiederherzustellen.

Maßnahmen:

So wenig wie möglich, so viel wie nötig: Die Wiederherstellung orientiert sich am übergeordneten Nationalparkziel, den möglichst ungestörten Ablauf von ökologischen Prozessen in ihrer natürlichen Dynamik zu gewährleisten. Dieser Prozessschutz-Gedanke gilt nicht nur für den strikt geschützten Teil des Nationalparks (i.e., Kernzone, 15.606 ha), sondern ist auch das übergeordnete Ziel in der Behandlung der Wälder.

In den ersten Jahren der Wiederherstellung wurden gängige Konzepte des Waldumbaus angewandt, d.h. es wurden Loch- und Femelhiebe durchgeführt, in welchen Buche und Tanne gepflanzt wurden. Dieses Verfahren wurde jedoch im Lichte der gewonnenen Erkenntnisse und der sich verändernden Bedingungen angepasst (adaptives Management). Im Speziellen zeigte sich, dass die durch den fortschreitenden Klimawandel häufiger werdenden Störungen (d.h. Öffnungen des Kronendachs durch Windwurf und Borkenkäfer) verstärkt zu Lücken in naturfernen Fichtenbeständen führten. Diese natürliche Störungsdynamik wurde als doppelte Chance für die Wiederherstellung erkannt: Zum einen werden dadurch Möglichkeiten für die Etablierung von neuen Baumarten geschaffen (und ein künstliches Öffnen des Kronendachs kann unterbleiben), zum anderen erfolgt die Bestandesumwandlung in naturnahen räumlichen und zeitlichen Mustern (unterschiedliche Flächengrößen, Wellen des Absterbens und der Etablierung). Es werden daher seit 2017 keine künstlichen Loch- und Femelhiebe mehr durchgeführt, Tannen und Buchen werden ausschließlich nach natürlicher Störung gepflanzt. Störungen sind somit der Motor der aktuellen Wiederherstellungsmaßnahmen im Nationalpark Berchtesgaden.

Flankierend wird ein Schalenwildmanagement durchgeführt, welches eine ausgewogene Entwicklung von Wald und Wild zum Ziel hat und integraler Teil der Wiederherstellungsmaßnahmen ist. Schalenwildmanagement dient allein dem Zweck, natürliche Lebensräume zu erhalten und eine ausreichende Entwicklung aller im Zuge der Wiederherstellung gepflanzten Baumarten zu sichern. Reguliert werden ausschließlich Rot-, Reh- und Gamswild. Zum Einsatz kommt eine räumlich und zeitlich differenzierte Managementstrategie, welche durch örtliche Schwerpunkte und zeitliche Fenster der Jagdruhe die Beunruhigung des Schalenwildes minimieren (Schwerpunkt- und Intervallbejagung).

Ergebnisse:

Seit Beginn der Wiederherstellungsmaßnahmen wurden 496.000 Tannen und 771.000 Buchen gepflanzt. Diese Pflanzungen führen zu einer deutlichen Beschleunigung der Waldentwicklung zurück zu naturnahen Bergmischwäldern. Darüber hinaus kompensieren die eingebrachten Bäume das Fehlen von Samenbäumen dieser Baumarten und ermöglichen eine zukünftige weitere Ausbreitung durch natürliche Verjüngung. Durch die Orientierung der Wiederherstellungsmaßnahmen an natürlichen Störungen erfolgt auch in der Pflegezone des Nationalparks eine weitgehend natürliche Waldentwicklung ohne die Fällung von Bäumen. Dies fördert die strukturelle Vielfalt der Wälder und führt zu einer Anreicherung von stehendem und liegendem Totholz und somit zu einer positiven Wirkung auf die Biodiversität. Somit wurde der Gedanke des Prozessschutzes als „die“ Naturschutzstrategie eines Nationalparks erfolgreich in die Wiederherstellung integriert.

Der Erfolg der Wiederherstellungsmaßnahmen kann mithilfe der regelmäßig durchgeführten Waldinventur evaluiert werden (Stichproben auf 200 x 100 m Raster). Die Daten der Waldinventur zeigen, dass die Wiederherstellung im Nationalpark noch lange nicht abgeschlossen ist; aktuell sind Tanne (1 % aller Bäume) und Buche (8 %) in der Verjüngung noch stark unterrepräsentiert. Allerdings hat sich die absolute Zahl der Verjüngungspflanzen der Buche fast verdoppelt und jene der Tanne sogar verdreifacht. Die Wiederherstellung konnten den Anteil der Nadelholzreinbestände senken und den Baumartenreichtum erhöhen; zudem beschleunigen sich beide Entwicklungen über die Zeit. Diese Veränderungen sind besonders dort ausgeprägt, wo aktiv Wiederherstellung betrieben wird und unterstreichen somit den Erfolg der implementierten Maßnahmen.

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