Ausschluss mobiler grundberührender Fischerei in Meeresschutzgebieten der Nordsee
In der Deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee stellen Meeresnaturschutzmaßnahmen einen zentralen Management-Ansatz dar, um einen guten Umweltzustand der Meere zu erreichen. In weiten Teilen der Meeresschutzgebiete Borkum Riffgrund (BRG), Sylter Außenriff-Östliche Deutsche Bucht (SAR) und Doggerbank (DB) sind Einschränkungen der Nutzung von mobiler, grundberührender Fischerei (MGF) geplant. Eine Reduktion der Störung durch MGF kann Veränderungen des marinen Ökosystems zur Folge haben. Tatsächliche Effekte solcher Maßnahmen auf Habitate und das Ökosystem sind bisher jedoch kaum untersucht. Deswegen wird in Phase I der Pilotmission MGF-Nordsee der aktuelle Zustand der Meeresschutzgebiete der Nordsee erfasst. Am BRG und SAR ist die Implementierung der MGF-Maßnahmen im März 2023 erfolgt. So ergibt sich die einmalige Gelegenheit, die direkten Effekte solcher Maßnahmen zu erforschen. In Phase II von MGF-Nordsee untersuchen wir die Veränderungen in den Schutzgebieten und entwickeln zudem ein integratives Monitoring-Konzept, das alternative und konventionelle Methoden vereint.
Details
- Projektträger:
- Deutsche Allianz Meeresforschung
- Adresse:
- Hafenstraße 43
25992 List/Sylt - Förderprogramme:
MGF-Nordsee ist Teil der Forschungsmission „Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume“ (sustainMare) der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM) und wird über das Bundesministerium für Bildung- und Forschung (BMBF) gefördert
- Kooperationspartner:
- Alfred-Wegener-Institut Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, Helmholtz-Zentrum Hereon, Institut für Chemie und Biologie des Meeres der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg, Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Thünen-Institut für Seefischerei
Projektbeschreibung
In der deutschen ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der Nordsee befinden sich drei Gebiete, die als Natura 2000-Schutzgebiete ausgezeichnet sind. Unter dem Programm Natura 2000 versteht man ein zusammenhängendes Netz von Schutzgebieten innerhalb der Europäischen Union. Zusammen mit der Vogelschutzrichtlinie regelt die sogenannte Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie in den Natura 2000 Gebieten den Schutz von gefährdeten wildlebenden Pflanzen und Tieren in ihren natürlichen Lebensräumen. Seit September 2017 sind die marinen Natura 2000 Gebiete der AWZ durch sechs Schutzgebietsverordnungen national als Naturschutzgebiete unter Schutz gestellt. Naturschutzgebiete im Meer werden international als Meeresschutzgebiete (Marine Protected Areas – MPA) gemeldet. Insgesamt umfassen die Nordsee-MPAs „Doggerbank“, „Borkum Riffgrund“ und „Sylter Außenriff – Östliche Deutsche Bucht“ eine Fläche von 7.920 km² und damit ca. 28 Prozent der AWZ der Nordsee.
MPAs bedürfen einer Steuerung der Meeresnutzungen, wie etwa Freizeitfischerei und kommerzielle Fischerei, durch Managementpläne, in denen Schutzmaßnahmen und deren Umsetzung aufgeführt sind. Schutzmaßnahmen in MPAs sind weltweit nicht einheitlich geregelt, folgen aber in Europa einem vorgegebenen Rechtsrahmen. Generell sind Nutzungen in MPAs zulässig, wenn sie dem Erreichen der gebietsspezifisch festgelegten Schutzziele nicht im Wege stehen. Im Ergebnis werden daher in manchen Gebieten Nutzungen wie Fischerei nicht geregelt, begrenzt oder Schonzeiten verhängt, in anderen herrscht wiederum ein komplettes Fangverbot. Für die Umsetzung in den Natura 2000 Gebieten innerhalb der AWZ ist in Deutschland der Bund zuständig - vertreten durch das Bundesamt für Naturschutz (BfN) und das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU); wobei das BfN direkt verantwortlich für die Umsetzung der Managementpläne der Schutzgebiete in der AWZ ist.
Bei der sogenannten mobilen grundberührenden Fischerei (MGF) werden meist Grundschleppnetze eingesetzt. Auswirkungen auf Meeresökosysteme haben vor allem deren Scherbretter, welche dazu dienen das Netz horizontal offen zu halten. Scherbretter pflügen durch das Sediment und haben dadurch negative Auswirkungen auf die Sedimente und Organismen am Meeresboden. Verhandlungen zum Ausschluss von MGF finden im Rahmen der europäischen gemeinsamen Fischereipolitik auf EU-Ebene und in Absprache mit den Nachbarstaaten statt. In den zwei Nordsee-Schutzgebieten Borkum Riffgrund, sowie Sylter Außenriff-Östliche Deutsche Bucht ist der Einsatz von MGF in großen Teilen seit März 2023 untersagt.
In den Forschungsprojekt MGF-Nordsee bot sich nun die einmalige Gelegenheit, zu verfolgen, wie sich durch menschliche Nutzung stark beeinflusste benthische Habitate nach einem Ausschluss von MGF entwickeln. Hierzu wurde zunächst in Phase I des Projektes ein umfassender Basiszustand der Gebiete als Referenz untersucht und dokumentiert. Nun können wir in Phase II verfolgen, wie sich Lebensgemeinschaften, Meeresbodenmorphologie, Biogeochemie der Meeressedimente und Austauschprozesse zwischen Sediment und Wassersäule ohne weitere Störungen entwickeln. Solche Einflüsse auf MPAs und marine Ökosysteme sind bisher kaum untersucht und die Ergebnisse bieten eine wichtige Grundlage für ein zukünftiges, angepasstes Management der Schutzgebiete in Nordsee.
Unsere Arbeiten verfolgen einen modernen, ganzheitlichen Ansatz, der alle Bestandteile des Ökosystems einbezieht, um die Effekte eines MGF-Ausschlusses zu untersuchen. Die Daten der sollen die Basis des zukünftigen Monitorings in den Gebieten sein, mit dem Statusveränderungen rechtzeitig erkannt und ggf. Gegenmaßnahmen bzw. weitere Schutzmaßnahmen ergriffen werden können.
Das Projekt, das in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) erfolgt, ist Teil der Forschungsmission „Schutz und nachhaltige Nutzung mariner Räume“ (sustainMare) der Deutschen Allianz Meeresforschung (DAM). Die DAM verbindet führende deutsche Meeresforschungseinrichtungen mit dem Ziel, den nachhaltigen Umgang mit den Küsten, Meeren und Ozeanen durch Forschung, Datenmanagement und Digitalisierung, Koordinierung der Infrastrukturen und Transfer zu stärken. Dafür erarbeitet die DAM gemeinsam mit ihren Mitgliedseinrichtungen lösungsorientiertes Wissen und vermittelt Handlungsoptionen in Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Sie wird gefördert durch den Bund und die norddeutschen Bundesländer Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.