Citizen Science-Projekt FLOW: Fließgewässer erforschen – gemeinsam Wissen schaffen
FLOW ist ein bundesweites Citizen Science-Projekt zum ökologischen Monitoring kleiner Fließgewässer. Gemeinsam mit interessierten Bürger:innen untersuchen wir den ökologischen Zustand von Bächen. Nach dem Motto „Man kann nur schützen, was man kennt!“ möchten wir das gesellschaftliche Bewusstsein für die Bedeutung und Gefährdung unserer Fließgewässer stärken. Seit Projektbeginn im Februar 2021 engagierten sich im FLOW-Projekt deutschlandweit insgesamt 96 Gruppen mit mehr als 900 Teilnehmenden. Die Bürgerforschenden erforschen ihre Bäche, indem sie die Gewässerstruktur bewerten, die chemisch-physikalische Wasserqualität messen und die Lebensgemeinschaft der wirbellosen Tiere am Gewässergrund (Makrozoobenthos) beproben. Mit Hilfe eines Bioindikators zur Auswertung der Makrozoobenthos-Daten ziehen wir Rückschlüsse auf die Pestizidbelastung des Gewässers. Die Daten werden nach Standards der Wasserrrahmenrichtlinie (WRRL) erhoben. Dazu bieten wir Schulungen an und stellen Feldmaterial bereit. Die FLOW-Gruppen führen die Feldarbeit eigenständig durch, initiieren Dialoge mit Akteuren vor Ort und schaffen in den lokalen Medien Aufmerksamkeit für den Gewässerschutz.
Die FLOW-Daten werden wissenschaftlich geprüft, veröffentlicht und dann genutzt, um Strategien für den lokalen Gewässerschutz abzuleiten und politische Entscheidungsträger dazu aufzufordern, konkrete Gewässerschutz-Maßnahmen umzusetzen. Ab 2024 möchten wir darauf aufbauend partizipative Gewässerrenaturierung umsetzen.
Details
- Projektträger:
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), DLR Projektträger, Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU)
- Adresse:
- Puschstraße 4
04103 Leipzig - Förderprogramme:
- Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), Richtlinie zur Förderung bürgerwissenschaftlicher Vorhaben
- Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), Förderung einer begleitenden Dissertation
- Kooperationspartner:
- Helmholtz Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Leipzig, Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig
Projektbeschreibung
Motivation: Laut Umweltbundesamt befinden sich über 90% der Fließgewässer in Deutschland in einem schlechten ökologischen Zustand. Zugleich fehlt es an belastbaren Daten zum ökologischen Zustand von kleinen Fließgewässern mit Einzugsgebieten unter 30 km2, welche vom Monitoring der Wasserrahmenrichtlinie nicht ausreichend berücksichtigt werden.
Ziele und Maßnahmen: Durch das FLOW-Projekt bauen wir ein bundesweites Citizen Science-Monitoring kleiner Fließgewässer auf, das von engagierten Bürger:innengruppen getragen wird. Das Projekt hat vier übergeordnete Ziele:
1. Bildungs- und Partizipationsziel: Die Wasserrahmenrichtlinie und die Nationale Wasserstrategie (BMUV) sehen die Beteiligung von Bürger:innen an der Maßnahmenplanung für den Gewässerschutz vor. Um Bürger:innen zu befähigen, sich für den Gewässerschutz zu engagieren, braucht es inhaltlich und methodisch fundierte Angebote zur Weiterbildung und Partizipation. Deshalb entwickelten wir mit dem FLOW-Projekt ein kollaboratives Citizen Science-Gewässermonitoring, das es den Teilnehmenden ermöglicht, sich aktiv in die Projektgestaltung einzubringen (u.a. durch Online-Workshops zur Projektkonzeption, Einholen von Teilnehmer-Feedback zur Projektentwicklung und die gemeinsame Diskussion von von Ergebnissen und potenziellen Gewässerschutzmaßnahmen auf den jährlichen Projektkonferenzen).
2. Fließgewässer- und Insektenschutz-Ziel: Das FLOW-Projekt möchte die mediale Aufmerksamkeit für den Insektenrückgang aufgreifen und in Bezug auf das bedeutende Insektenhabitat „Fließgewässer“ erweitern. Das Monitoring des ökologischen Ist-Zustands und der Makrozoobenthos-Gemeinschaft an den Probestellen soll dabei eine Datengrundlage für langfristige gemeinsame Aktivitäten zum Insekten- und Fließgewässerschutz schaffen. Insbesondere möchten wir Bürger:innen und Stakeholder zur Reflektion über nachhaltige Landwirtschaft sowie zur Umsetzung konkreter Gewässerpflegemaßnahmen in ihrem unmittelbaren Umfeld motivieren.
3. Kapazitätenaufbau- und Netzwerkbildungs-Ziel: Das Projekt schafft eine enge Zusammenarbeit zwischen Bürger:innen, Forschenden, Mitgliedern von Umweltverbänden, bestehenden Bildungsinitiativen wie der AG Umweltmobile, Angler:innen, Schüler:innen und Behörden, sodass ein Mehrwert für alle Akteure entsteht. Der Aufbau von Netzwerken und Kapazitäten geschieht zum einen durch die partizipative Forschung und den Erfahrungsaustausch zwischen den Projekteilnehmenden und Wissenschaftler:innen. Zum anderen fördern wir die die gezielte Vernetzung von Akteuren im Bereich Gewässerschutz durch unsere Online-Workshops, Multiplikatoren-Schulungen, die Teamarbeit der FLOW-Gruppen im Feld, und die jährlichen Projektkonferenzen.
4. Wissenschafts-Ziel: Das Projekt erforscht den ökologischen Zustand und die Pestizidbelastung von Bächen, um das behördliche Monitoring zu ergänzen. Das FLOW-Monitoring wurde aufbauend auf Erfahrungen aus dem nationalen Kleingewässermonitoring (KgM) des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung und des Umweltbundesamts wissenschaftlich geplant und begleitet. Gemeinsam mit internationalen Partnern aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft entwickeln wir jetzt einen praktischen Leitfaden für partizipative Gewässerrenaturierung.
Ergebnisse:
In den Jahren 2021-2023 untersuchten wir mit 96 geschulten Freiwilligengruppen bundesweit 137 Bäche auf ihren ökologischen Zustand, 83 % davon in landwirtschaftlich genutzten Einzugsgebieten. Die Ergebnisse zeigen, dass 58 % der untersuchten landwirtschaftlich geprägten Bäche in Bezug auf die Zusammensetzung der Makrozoobenthos-Gemeinschaft keinen guten ökologischen Zustand erreichen. Die durch den Bioindikator SPEARpesticides ermittelte Pestizidbelastung der Bäche hing mit dem Anteil landwirtschaftlich genutzter Flächen in den Einzugsgebieten der Probestellen zusammen. In Bezug auf die Gewässerstruktur erreichten 65 % der Bäche in landwirtschaftlich genutzten Einzugsgebieten keinen guten Zustand.
Die Citizen Science-Daten zeichnen sich durch eine hohe Genauigkeit aus: Die von den Bürgerforschenden erhobenen Gewässerdaten stimmen in hohem Maße mit professionell erhobenen Daten überein. Ein solches validiertes Citizen Science-Monitoring des Gewässerzustands könnte eine entscheidende Rolle für die Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie spielen und somit zur Wiederherstellung und zum Schutz von Gewässerökosystemen beitragen.
Studien zum FLOW-Projekt:
-von Gönner, J., Bowler, D.E., Gröning, J., Klauer, A.-K., Liess, M., Neuer, L., Bonn, A. (2023): Citizen science for assessing pesticide impacts in agricultural streams. Science of the Total Environment 857:159607. https://doi.org/10.1016/j.scit...
-von Gönner, J., Gröning, J., Grescho, V., Neuer, L., Hänsch, V.G., Laue, B., Molsberger-Lange, E., Wilharm, E., Liess, M., Bonn, A. (in review): The majority of Germany’s small agricultural streams are in a poor ecological status.