Ebracher Trittsteinkonzept – das Naturschutzkonzept des Forstbetriebs Ebrach der Bayerischen Staatsforsten
Der Verein für Nachhaltigkeit (VfN) beantragt, den Forstbetrieb Ebrach der Bayerischen Staatsforsten für die Wiederherstellung eines artenreichen Laubmischwaldes auf 17.000 Hektar durch die Umsetzung des dort entwickelten „Ebracher Trittsteinkonzepts“ auszuzeichnen.
Durch das „Trittsteinkonzept“ ist es gelungen, gleichzeitig die Biodiversität zu sichern (Ökologie), den regionalen Holzmarkt zu beliefern (Ökonomie) und einen Beitrag zum Klimaschutz (Holzvorräte und Produkte) zu leisten.
Begleitende Forschungsprojekte bestätigten, dass die Artenvielfalt auf der Landschaftsebene durch viele kleine Biotope wirkungsvoller geschützt wird als durch wenige große Schutzgebiete.
Der ehemalige Leiter des Forstbetriebs Ebrach und Mitglied des VfN, Ulrich Mergner, nennt folgende Vorteile:
• Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie in demselben Wald
• Holz der kurzen Wege
• Wildnis der kurzen Wege (Naherholung)
• Wiederverbreitung der Waldarten über den gesamten Wald
• Konzept, das in nahezu jedem Forstbetrieb umsetzbar ist
Inzwischen findet das „Ebracher Trittsteinkonzept“ europaweit Beachtung und hat auch auf die Pflege anderer Ökosysteme und die Arbeit von Naturschutzverbänden und Einrichtungen der Landschaftspflege ausgestrahlt. Es ist unter anderen Namen in Landeswaldkonzepte eingegangen: „Naturwaldflächen“ (BY), „Waldrefugien“ (BW) und „Naturwaldentwicklungsflächen“ (Hessen).
Der VfN hat das Konzept 2021 in der Publikation „10 Thesen - Vom Wert der Wälder“ zur Nachahmung empfohlen.
Details
- Projektträger:
- Verein für Nachhaltigkeit e.V. | Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1 | 85354 Freising | https://nachhaltigkeit-ev.de/ | verein@nachhaltigkeit-ev.de
- Adresse:
- Hans-Carl-von-Carlowitz-Platz 1
85354 Freising - Förderprogramme:
Der Freistaat Bayern fördert die Umsetzung des Ebracher Trittsteinkonzepts, beispielsweise indem die Bayerischen Staatsforsten Forschungsprojekte unterstützen:
• beim Versuchsdesign (z.B. Flächenauswahl),
• Bereitstellung von Kartenmaterial,
• teilweise finanziell,
• personell (Arbeitszeit von Waldarbeitern, FÖJ, Revierleitern).
Der Forstbetrieb Ebrach ist der treibende Akteur, der das Konzept in Eigenregie entwickelt und umgesetzt hat. Es gab keine Unterstützung aus einem Förderprogramm.
- Kooperationspartner:
- Amt für Waldgenetik Bayern | Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft | FAUN – Waldnaturschutz integrativ | Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Bayern
Projektbeschreibung
Der Forstbetrieb Ebrach liegt im Landkreis Bamberg (Oberfranken) und ist Teil des Steigerwalds. Es gab 2005, bei der Gründung einige wenige, noch artenreiche und viele artenarme Waldorte. Das hatte historische Gründe. Heute hat sich die Vielfalt an Waldarten auch in die ehemals artenarmen Waldorte ausgebreitet. Das im Naturschutzkonzept von 2006 (Fortschreibung siehe Anlage) verankerte Trittsteinkonzept besteht im Wesentlichen aus vier Elementen:
1. Biotopbaumschutz
Pro Hektar bewirtschafteter Waldfläche werden 10 Biotopbäume belassen (Anlage 3, Abb. 3). Der Biotopbaumschutz wurde in den Waldbau integriert. Beispielsweise wurde auf die Entnahme von „Grobformen“ in Jungbeständen weitgehend verzichtet, die Zahl an Elitebäumen in der Dimensionierungsphase reduziert und Biotopbäume gut sichtbar markiert.
2. Totholzmanagement
Die Totholzmenge liegt im Durchschnitt aller Waldorte bei 25 m3 (umgerechnet auf die Erhebung nach Bundeswaldinventur: 40 m3) pro Hektar. Beispiele für die Umsetzung sind das „Zopfen“ beim ersten starken Ast oder das „Hochköpfen“ mit dem Harvester.
3. Ausweisung von Naturwaldflächen (Trittsteinflächen)
Ökologisch hochwertige Waldorte mit besonders vielen Biotopbäumen wurden seit dem Jahr 2007 kontinuierlich aus der Nutzung genommen. Waldtrittsteine haben eine Größe von 0,3 - 20 ha. Sie sind über den gesamten Forstbetrieb verteilt, in die forstliche Planung integriert („Hiebsruhe“), vor Ort markiert sowie in den Wirtschaftskarten und im Internet dargestellt (Anlage 3, Abb. 2).
4. Naturwaldreservate
Zusätzlich zu den bestehenden vier Naturwaldreservaten wurden zwei weitere Waldorte (183 ha und 50 ha) als streng geschützte Naturwaldreservate ausgewiesen.
Die Gesamtfläche der nutzungsfreien Waldflächen beträgt 1.670 Hektar (10%). Zusammen mit den ebenfalls nutzungsfreien Waldflächenanteilen der Biotopbäume ergeben sich ca. 2.400 Hektar (ca. 15%).
Wissenschaftlich belegte Effekte
Der Forstbetrieb Ebrach hat intensiv mit dem European Forest Institute (EFI-Cent) in den Projekten „Integrate“ und „Integrate Plus“ zusammengearbeitet. Studien begleiteten die Umsetzung (Anlage „Wissenschaftliche Begleitung“). Auf vier wissenschaftlichen Symposien im Steigerwald-Zentrum (2015, 2017, 2019, 2021) wurden dazu Forschungsprojekte vorgestellt. Das Ebracher Trittsteinkonzept erhält eine Bestätigung durch die Metastudie von Prof. Lenore Fahrig von der Carleton Universität in Canada. Sie weist nach, dass viele kleine ökologisch wirksame Elemente mehr Artenvielfalt bewirken als wenige große. Zu den Klimaschutz-Effekten siehe Abschnitt „Beitrag zum natürlichen Klimaschutz“.
1. Wiederbesiedlung durch Waldarten auf der gesamten Waldfläche
Inventurdaten aus den Jahren 2010 und 2016 sowie die wissenschaftlichen Begleitstudien belegen, dass sich die Artenausstattung in den bewirtschafteten Wäldern an die der Naturwaldreservate angeglichen hat. Durch Anpflanzung und „vorsichtige Baumartensteuerung“ von Mischbaumarten wie der Eiche wird an den bewirtschafteten Waldorten sogar eine größere Baumartenvielfalt erreicht als in den Naturwaldreservaten. Die Maßnahmen hatten mehr Habitatstrukturen zur Folge. Darauf hat die Waldartenvielfalt sofort positiv reagiert, auch bislang artenarme Areale wurden wieder besiedelt.
Die Inventurpunkte mit der Indikatorart Zunderschwamm (Fomes fomentarius) sind im Vergleich der Inventuren 2010 und 2016 von 6,4 % auf 11,5 % angestiegen. Eng mit dem Pilz verbunden ist der Schwarzkäfer (Bolitophagus reticulatus). Seine Larven ernähren sich von ihm. Überraschend schnell ist dieser, 2004 nur noch in zwei Naturwaldreservaten nachgewiesene, Käfer seinem Wirt gefolgt und nun wieder flächendeckend nachweisbar.
Pilzarten wie die Stachelbartpilze (Hericium spec.) oder Vogelarten wie der Schwarzstorch (Ciconia nigra) oder der Halsbandschnäpper (Ficedula albicollis) sind keine Seltenheit mehr. Insgesamt wurden mehr als 500 holzbewohnende Käferarten nachgewiesen, u. a. der Knochenkäfer (Trox perrisii), der in Bayern als ausgestorben galt. Bei den Fledermäusen wurde zusätzlich zu den bisherigen 15 Arten auch die Nymphenfledermaus nachgewiesen.
2. Schutz der Artenvielfalt trotz Holznutzung
Die Wiederherstellung des natürlichen Waldökosystems ist gelungen, obwohl der Forstbetrieb pro Jahr rd. 100.000 m3 Holz geerntet hat. Davon wurden 85.000 m3 überwiegend an heimische Laubholzsägewerke und für örtlichen Brennholzbedarf abgegeben. Neben den beschriebenen Nutzungsverzichten (Stilllegungsflächen, Biotopbäume) verbleibt Kronenholz und minderwertige Stammteile im Wald und wird zu Totholz (Verwertungsverzichte). Dies bedeutet Einnahmeverzichte, die sich auf ca. 100.- € pro Hektar bei Nutzungsverzicht und 20.- € pro Kubikmeter beim Verwertungsverzicht belaufen. Den Mindererlösen von ca. 500.000.- € / Jahr stehen jedoch auch Einsparungen in der Waldpflege gegenüber. Die Vorteile von Totholz (Nähstoffnachlieferung, Wasserspeicherung, Bodenverbesserung) wirken langfristig betriebswirtschaftlich günstig.